Ein kurzer geschichtlicher Überblick von Gautam Liu Der Stadtteil Bergheim und die CATS-Gebäude
Der Umzug der CATS-Institute in die altehrwürdigen Gebäude der ehemaligen Hautklinik in Bergheim im April 2019 fügt sich wunderbar in die Jubiläumsfeier 1250 Jahre Bergheim ein. Denn 769 wird Bergheim das erste Mal im Lorscher Kodex erwähnt. Ein gewisser Ratbert hatte für sein Seelenheil dem Kloster Lorsch einen Weinberg in Bergheim geschenkt. Nun kann man sich zurecht fragen, warum Bergheim Bergheim heißt, da sich dieser Stadtteil hart nach dem Ausgang des Neckars in die Rheinebene auf flachem Gebiet befindet. Der Grund ist, dass die Gemarkung Bergheim ursprünglich auch die Berge des südlichen Odenwalds miteinschloss, u.a. den Gaisberg, an dessen Fuße um die Peterskirche viele Jahre später die erste Siedlung in der Altstadt Heidelberg entstand. In diesem Sinne müsste die Stadt eigentlich Bergheim und nicht Heidelberg heißen. Heidelberg wurde namentlich erst 1196, also 430 Jahre später, das erste Mal erwähnt.
Im Grunde gehört die Heidelberger Altstadt zu den neuesten Stadtteilen, denn auch Neuenheim, Handschuhsheim, Wieblingen, Rohrbach und Kirchheim wurden zwischen 765 und 769 das erste Mal erwähnt. Die Altstadt Heidelberg lag damals in der Peripherie, in der vor dem 12. Jahrhundert kein Mensch lebte.
Bergheim von den Anfängen bis zur Mitte des 19. Jhd.
Im Gegensatz zu Bergheim: Richtung Thibautstraße befand sich die erste Neckarbrücke, die über das römische Steinkastell am anderen Ufer in Neuenheim über die Bergstraße nach Ladenburg führte. Die römische Siedlung erstreckte sich von Neuenheim bis hierher am südlichen Brückenkopf, wo es zahlreiche Töpfereien gab. In diesem Sinne handelt es sich um eines der ältesten Gewerbegebiete Heidelbergs. 769 wurde Bergheim erstmals als fränkische Siedlung erwähnt. Im Mittelalter bildete das Zentrum von Bergheim die Vangerowstraße zwischen der alten Bergheimer Mühle (heute Ruderverein) und der Kirchstraße, wo einst eine mittelalterliche Kirche stand. Der Grund, dass die Menschen in Bergheim und nicht in der Altstadt lebten, war sicherlich, dass der Boden für den Anbau von Kulturpflanzen hier zum einen besser war und dass es vor allem viel mehr Platz für eine Siedlung mit Ackerbau gab. Eingepfercht zwischen Fluss und Berg in der heutigen Altstadt wollte niemand leben. Im 12. Jahrhundert kam aber langsam die Wende. Es entstand eine Burg auf der Molkenkur, im 13. Jahrhundert dann unter den Wittelsbachern die Burg auf dem Jettenbühl, das heutige Schloss. Im Mittelalter lebten die Herren geschützt auf dem Berge und ließen sich vom Umland versorgen. Am Fuße der pfalzgräflichen Residenz wurde planmäßig die ummauerte Stadt Heidelberg angelegt mit Marktplatz, Rathaus und Kirche im Zentrum. Die Außengrenze der Stadt im Westen war die Grabengasse.
Spätestens nach 1386 mit der Gründung der Universität brauchte man mehr Platz und 1392 beschloss Kurfürst Ruprecht II, genannt der Harte, die Stadt bis zum heutigen Bismarckplatz, also bis zum Beginn der Hauptstraße, zu erweitern. Das war das Ende des Dorfs Bergheim, denn er befahl allen Einwohnern Bergheims ihre Häuser abzubrechen und sich in dieser neuen Vorstadt Heidelbergs, also zwischen Grabengasse und Bismarckplatz anzusiedeln. Man kann von einem Neu-Bergheim im westlichen Teil der Altstadt sprechen. In Bildern aus dem 16. Jahrhundert sieht man, wie dörflich geprägt dieser als Neu- bzw. Vorstadt bezeichnete Teil im Gegensatz zur alten Kernstadt noch war. Das ursprüngliche Bergheim wurde zu einer Wüstung, Alt-Bergen genannt, und blieb es die nächsten 500 Jahre. Einzig die Bergheimer Mühle durfte stehen bleiben, aus der dann 1874 das Turbinenhaus der Heidelberger Zementfabrik werden sollte.
Um 1700 gab es nach der Zerstörung Heidelbergs durch das Heer des französischen Sonnenkönigs den Plan, an der Stelle der CATS-Gebäude eine Schlossanlage zu bauen, die samt Schlossgarten bis hin zur heutigen S-Bahn-Station Südstadt/Weststadt gereicht hätte. Es wäre die größte Barockschlossanlage Europas geworden. Die Heidelberger Bürger stellten sich aber gegen diesen Plan quer. Dies und andere Gründe führte dazu, dass der Kurfürst seine Residenz nach Mannheim verlegen ließ, wo er der zweitgrößte Barockschlosskomplex Europas bauen ließ.
Die Wiederbelebung Bergheims
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgte die Wiederbelebung Bergheims. Die Stadt Heidelberg platzte aus allen Nähten und brauchte wieder Platz. Der Winterhafen vor den Toren Heidelbergs wurde um 1850 zugeschüttet und mit einer Gartenanlage begrünt. Diese damals als Hafenplatz bekannte Verbindungsstelle zwischen Altstadt und Bergheim bekam 1875 den Namen Bismarckplatz. Von der planierten Fläche des Bismarckplatzes bestand nun ab 1850 die Möglichkeit sich gen Westen auszubreiten. 1861 wurde Bergheim, den alten Namen hatte man nicht vergessen, in einem Masterplan als Baubezirk für die Erweiterung des Stadtgebiets ausgewiesen. Die allerersten (noch erhaltenen) städtischen Gebäude, die Bergheim aus seinem 500-jährigen Dornröschenschlaf erweckten, waren die heutigen CATS-Gebäude.
Bau der heutigen CATS-Gebäude
Bei den heutigen CATS-Gebäuden handelt es sich um die Bauten des von 1869 bis 1876 erbauten Neuen Akademischen Krankenhauses, die Keimzelle des Altklinikums Bergheim, dessen letzter Erweiterungsbau die 1922 gegründete Ludolf-Krehl-Klinik war, wo sich heute der Campus Bergheim mit dem AWI befindet. Das Akademische Krankenhaus, das am 1. Oktober 1876 eröffnet wurde, galt in Europa als die modernste Spitalanlage seiner Zeit. Ein Grund, warum man überhaupt so üppig bauen konnte, war sicherlich der gewonnene Krieg gegen Frankreich 1870/71. Das Geld der Reparationszahlungen Frankreichs finanzierte viele Bauvorhaben der Gründerzeit. Das erste Gebäude des Hospitalareals war das heutige Karl Jaspers Center, welches das HCTS beherbergt, 1875 als Verwaltungsgebäude des Krankenhauses errichtet. Ein Jahr darauf 1876 gingen der Medizinische Pavillon 1 und der Chirurgische Pavillon 1 in Betrieb. Das sind die beiden Zwillingspavillons des SAI und ZO. Das SAI befindet sich im ehemaligen Medizinischen Pavillon 1, der ab 1899 in Chirurgischer Pavillon III umbenannt wurde. Das ZO war von Anfang an der Chirurgische Pavillon 1. Das Gebäude der Ethnologie und der Bibliotheksverwaltung wurde 1886 erbaut, und war der Chirurgische Pavillon II, auch Chirurgisches Absonderungshaus genannt. Architektonisch sind alle vier CATS-Pavillons schmucke Putzbauten mit rotem Sandsteingesims, ein feines Zitat des baustilprägenden Historismus jener Zeit. Verbunden waren die chirurgischen Pavillons durch überdachte Laubengänge, auf die die neue Konstruktion zwischen SAI und ZO augenscheinlich Bezug nimmt. Aufgrund der Pavillonbauweise im Altklinikum Bergheim, welche die Kliniken auf mehrere Gebäude verteilte, wirkt das Gebäudeensemble hier angenehm aufgelockert, mit viel Luft und Grün zwischen den Häusern. Der Grund für diese Bauweise war übrigens ein ganz praktischer: So konnte man einzelne Gebäude leichter unter Quarantäne stellen.
Die Pavillons wurden in der Korridorbauweise gebaut, mit dem Treppengang im Zentrum, die Behandlungsräume in den Seitenzimmern des Korridors und am Ende des Korridors die Sanitäranlagen. Daher befinden sich üblicherweise an den Enden der Gänge die größten Zimmer, weil man Behandlungsraum und WC zu einem Raum vereinen konnte.
1891 kam am SAI-Gebäude (Nr. 13), dem ehemaligen Medizinischen Pavillon I, ein neuer Anbau dazu, der sich von diesem in der Fassade durch den gelben Farbton des Sandsteingesims abgrenzt. Es ist das Seminargebäude des CATS, der ehemals Chirurgischer Hörsaalbau hieß. Man könnte in guter Tradition diesen Trakt weiterhin Hörsaalbau nennen. Das Prunkstück dieses Neubaus mit der eigenen Hausnummer 1 ist sicherlich die zweigeschossige lichtdurchflutete Rundhalle, die als Operations-und Hörsaal diente. Ein weiterer Blickfang im CATS-Campus ist der Wasserturm, der Teil des Küchengebäudes des Akademischen Krankenhauses war.
Nach dem Krieg zogen die Kliniken aufgrund des Platzmangels und weil man alle Kliniken in Nachbarschaft zueinander haben wollte peu a peu ins Neuenheimer Feld. In die CATS-Pavillons zog nach 1945 die Hautklinik ein und blieb dort bis vor ihrem Umzug ins Neuenheimer Feld 2012 dort.
Die Voßstraße
Abschließend ein paar Bemerkungen zum Namen der Voßstraße. Der Namensgeber war nicht, wie man sonst erwarten würde, ein Mediziner, sondern ein Altphilologe, der 1805 mit der Neugründung der Universität Heidelberg im Großherzogtum Baden durch den Großherzog Karl-Friedrich den Ruf nach Heidelberg annahm. Das war keineswegs selbstverständlich, denn die Universität Heidelberg war noch um 1800 unglaublich abgewirtschaftet und wie die ganze rechtsrheinische Kurpfalz hoch verschuldet mit kaum Studenten. Johann Heinrich Voß war ein Star seines Faches, der u.a. die Ilias und die Odyssee ins Deutsche übersetzt hatte. Um die Universität Heidelberg wieder aufzubauen nahm der badische Staat Geld in die Hand, lockte ihn mit einem Ehrensold, also mehr Gehalt, und der Entbindung von jeglicher Lehrverpflichtung. Das gleiche Besetzungsverfahren erfolgte übrigens auch bei Anton Friedrich Justus Thibaut, nach dem die Thibautstraße in Bergheim benannt ist, dem bekanntesten Rechtswissenschaftler seiner Zeit, der ebenfalls um 1805 nach Heidelberg kam. Kluge Köpfe zogen wiederum andere kluge Köpfe an und so besserte sich allmählich der Ruf Heidelbergs als Universitätsstadt.
Dass man 1875 die neu entstandenen Straßen im Areal des Akademischen Krankenhauses nicht nach Medizinern, sondern einem Altphilologen und einem Rechtsgelehrten benannte, unterstreicht das Bekenntnis der Ruprecht-Karls-Universität zur Volluniversität, die sich nicht auf eine Fachdisziplin eingrenzen will, sondern viele verschiedene Fächer zu würdigen weiß. Mit dem Umzug der Hautklinik in das Neuenheimer Feld, und dem Umzug des SAI vom Neuenheimer Feld in das Altklinikum Bergheim schließt sich auf beispielhafte Weise der Kreis dieses Anspruchs.